Die „Zuckerkrankheit“ Diabetes entwickelt sich tückisch – in vielen Fällen bleibt sie über Jahre hinweg unbemerkt. Denn ein erhöhter Blutzuckerspiegel ist nicht schmerzhaft und verursacht zunächst meist keine Beschwerden. Die Folgeerkrankungen können allerdings schwerwiegend sein und schlimmstenfalls zu einer Amputation führen.
Viele Patienten ahnen nichts von ihrer Krankheit
Untersuchungen zeigen: Zu den rund sechs Millionen Deutschen, deren Diabetes diagnostiziert ist, kommt eine Dunkelziffer von schätzungsweise zwei bis fünf Millionen Deutschen, die noch nichts von ihrer Stoffwechselstörung ahnen. Oft wird diese erst festgestellt, wenn sich bereits Folgeerkrankungen bemerkbar machen – unter anderem als Augen-, Nieren- sowie Herz-Kreislauferkrankungen. Aber der Diabetes schädigt oftmals auch die Nerven: Die erhöhten Glukosewerte im Blut haben laut Dr. Alin Stirban zur Folge, dass Substanzen mit toxischem Potenzial für die Nerven gebildet werden (z.B. die sogenannten AGEs, kurz für Advanced Glycation Endproducts), zudem führen sie zu Durchblutungsstörungen unter anderem an den Nerven. Dr. Stirban ist Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie vom Profil Institut für Stoffwechselforschung in Neuss. Er erläutert: „Die Nerven können ihre Funktion nicht mehr ordentlich ausführen oder sterben sogar ab, was zur Entwicklung der diabetesspezifischen Nervenschäden führt, der sogenannten diabetischen Neuropathie.“
Typische Symptome und hilfreiche Wirkstoffe
Bemerkbar macht sich diese Erkrankung meist durch Missempfindungen wie Schmerzen, Brennen, Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Füßen, die verstärkt auftreten, wenn man zur Ruhe kommt. Solche Symptome sollten die Patienten unbedingt beim Arzt ansprechen und die Füße untersuchen lassen – das sagt Dr. Helga Zeller-Stefan, Fachärztin für Innere Medizin, Ernährungsmedizin und Diabetologin mit einer Diabetes-Praxis in Essen. Wird die Diagnose Neuropathie bestätigt, gibt es nach ihren Worten verschiedene Therapiemöglichkeiten: „An erster Stelle steht immer eine möglichst gute Blutzuckereinstellung. Außerdem sollte man weitere nervenschädigende Einflüsse wie Alkohol und Nikotin weitestgehend meiden. Zusätzlich gibt es in Apotheken gut verträgliche Wirkstoffe, wie etwa das Benfotiamin, eine Vorstufe des Vitamins B1.“ Benfotiamin kann bei regelmäßiger Einnahme die Symptome der diabetischen Neuropathie, wie Kribbeln, Brennen, Taubheit oder Schmerzen in den Füßen lindern und den Ursachen der Nervenschädigung entgegenwirken, indem es die Bildung von nerven- und gefäßschädigenden Zucker-Abbauprodukten, wie den AGEs, reduziert. Ärzte können auch schmerzlindernde Medikamente wie Antidepressiva oder Antiepileptika gegen die Beschwerden verschreiben, müssen jedoch Nutzen und Risiken abwägen, da diese Arzneien Nebenwirkungen haben können.
Regelmäßige Kontrolle und die richtigen Schuhe
Darüber hinaus ist es für Patienten mit diabetischer Neuropathie ratsam, regelmäßig zur medizinischen Fußpflege zu gehen. Den Hintergrund erklärt Professor Dr. Hilmar Stracke, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, Stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Gießen und Marburg: „Die diabetesbedingte Nervenschädigung macht sich meist zuerst in den Füßen bemerkbar und erhöht das Risiko für ein diabetisches Fußsyndrom, also für Wunden und Ulzera (Geschwüre) am Fuß.“ Da bei einer diabetischen Neuropathie nicht selten das Schmerzempfinden in den Füßen gestört ist, werden Verletzungen, die auch beim Nagelschneiden entstehen können, nicht wahrgenommen und können sich unbemerkt entzünden. Aufgrund von Durchblutungsstörungen heilen die Wunden oftmals auch noch sehr schlecht. Schlimmstenfalls kann dies zu einer Blutvergiftung oder sogar zu einer Amputation führen. Stracke: „Ein medizinischer Fußpfleger, ein so genannter Podologe, kennt diese Risiken, behandelt die Füße fachgerecht und kann so zur Vermeidung eines diabetischen Fußsyndroms beitragen.“ Der Experte rät außerdem jedem Diabetiker, vom Arzt regelmäßig die Nervenfunktion in den Füßen untersuchen zu lassen, damit eine Neuropathie frühzeitig erkannt und behandelt werden kann. Bei diesen schmerzlosen Tests wird das Vibrations-, Berührungs- und Temperaturempfinden in den Füßen überprüft. Damit die Füße gut geschützt werden und keine Druckstellen entstehen, empfiehlt Dr. Alin Stirban zudem diabetikergerechte Schuhe und Schuheinlagen.(djd).
Weitere Informationen:
– Die Homepage www.diabetes-deutschland.de informiert über das Leben mit Diabetes. Unter den Menüpunkten „Erkennen“ und „Nervenerkrankungen“ gibt es Informationen zur diabetischen Neuropathie.
– Umfassende Auskünfte gibt es unter www.diabetes-heute.de. Unter dem Menüpunkt „Patientenfragen“ auch zum Thema Begleit- und Folgeerkranungen.
– Mehr über aktuelle Studien und Forschungsthemen rund um den Diabetes erfahren Betroffene beim Kompetenznetz Diabetes mellitus unter www.diabetes-mellitus.net.
– Unter www.dzd-ev.de informiert das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung über die Krankheit, die Forschung und aktuelle Nachrichten rund um den Diabetes.(djd).